HAUSFÜHRUNG #7, Mai 2024
Rundgang
BRÜCHE im Berliner Exil: Ankommen – künstlerische Perspektiven auf neue Lebensrealitäten
Liebe Freund:innen des Haus Kunst Mitte,
mit der siebten Ausgabe unserer Reihe HAUSFÜHRUNGEN schließt sich das dreiteilige Format zur Ausstellung „BRÜCHE – Künstlerinnen und Künstler im Berliner Exil“, die Januar bis Mai 2024 im Haus Kunst Mitte stattfand. Nach den Themen Flucht, Mut und Verantwortung widmete sich der abschließende Teil der Ausstellung der Erfahrung des Ankommens im neuen Lebensumfeld Berlin.
Shirin Ashkari, Winter Berlin, 2022 – 2024, Mischtechnik auf Leinwand, Courtesy of the artist © Michael Lüder
Die Künstlerin Shirin Ashkari beschäftigte sich in ihren verschieden großen Ölgemälden mit dem Motiv des grauen Berliner Himmels. Das Loslösen von Erinnerungen und die Öffnung für die Gegenwart spiegeln sich in dieser Serie eindrucksvoll wider. Ashkari beschreibt Berlin als Stadt, die einen nicht im Stich lässt und die großzügig endlose, graue und dunkle Tage schenkt, kalt, feucht und farblos. Ihre Werke machen die emotionale Schwere des Neuanfangs sichtbar und geben den Übergang vom Gestern ins Heute in poetischer Bildsprache wieder.
Ramin Parvin, Unterstrom, 2021, Das Ende des Festessens, 2023, Echo und Narzis, 2023, Gründe für Reime, 2024, Acryl auf Leinwand, Courtesy of the artist © Michael Lüder
Ramin Parvin erforschte in seinen Gemälden die Tiefe menschlicher Existenz. Seine dramatisch ausgeleuchteten, aber menschenleeren Innenräume dienten als Metaphern für seine innere Welt. Der Künstler betont, dass seine Kunst, geprägt durch seine queere Identität und Migrationsgeschichte, den Raum für Selbstbetrachtung schaffen soll. In dieser inneren Reise widersteht er dem Druck des emotionalen Konsums und bringt grundlegende menschliche Gefühle sowie unsere gemeinsame Menschlichkeit als zentrale Beobachtung in den Fokus.
Katharyna Turenko, Aliona, Dana, Natasha, Berlin, November-Dezember, 2022, Digital Print, Video Installation, Courtesy of the artist © Michael Lüder
In den Fotografien von Kateryna Turenko wurde das Ankommen in der Gegenwart auf eindrucksvolle Weise spürbar. In den ersten Monaten nach ihrer Flucht aus der Ukraine konzentrierte sich Turenko auf vertraute Wege in Berlin und auf nahestehende Menschen. Ihre Technik der Doppelbelichtung erzeugte dabei eine visuelle Spannung zwischen Heimat und Fremde, zwischen Innen und Außen sowie Vergangenheit und Gegenwart. Ihre fotografischen Arbeiten eröffneten eine poetische Perspektive auf den neuen Alltag.
Rula Ali, Meine Sprache ist nicht die Sprache meiner Tochter, 2024, Stoff und Möbel, Courtesy of the artist © Michael Lüder
Die Installation von Rula Ali, bestehend aus Stoffbahnen mit deutschen Wörtern in arabischer Lautschrift, stellte die Frage nach Spracherwerb und kulturellem Ankommen in den Mittelpunkt. Die Arbeit betonte die Sprache als wesentliches Kommunikationsmittel und Schlüssel zur Überwindung von Missverständnissen in einem neuen kulturellen Kontext. Ali machte deutlich, wie zentral Sprache für Integration und Teilhabe ist.
Azar Pajuhandé, 500 Badende, 2021, 360 Zeichnungen, Tusche und Pigment auf Stoff, Courtesy of the artist © Michael Lüder
Azar Pajuhandé setzte sich mit 360 kleinformatigen Tuschezeichnungen nackter weiblicher Körper mit dem visuellen Erbe des Bademotivs in der westlichen Kunstgeschichte auseinander. Ihre raumfüllende Arbeit hinterfragte die Konstruktion von Weiblichkeit, kultureller Identität und die damit verbundenen Machtdynamiken in der Darstellung von Frauen. Pajuhandés Arbeiten öffneten einen Raum für kritische Reflexion über Geschlechterbilder in der Kunst.
aaajiao, 放心 integriert / 一般 qualifiziert / 不放心 nicht integriert / 放心 integrated / 一般 qualified / 不放心 not integrated, 2024, Transferschrift, Courtesy of the artist © Michael Lüder
In seiner konzeptuellen Arbeit lenkte der Künstler aaajiao den Blick auf die oft absurden und entmenschlichenden bürokratischen Prozesse, denen Menschen in Gastländern ausgesetzt sind. Als Angehöriger einer ethnischen Minderheit in Deutschland betonte er die Gewalt, die Sprache innerhalb institutioneller Strukturen ausüben kann. Die Konfrontation zweier Sprachen wurde für ihn zum Symbol für die Unsichtbarkeit von Macht und die Angst, die diese Mechanismen in Einzelpersonen auslösen. Seine Arbeit machte auf eindringliche Weise die psychischen Belastungen aufmerksam, die mit dem Ankommen in einem neuen Land verbunden sind.
Mit herzlichen Grüßen
Ihr Haus Kunst Mitte Team