HAUSFÜHRUNG #17, Oktober 2025

Kunstbetrachtung

Zwischen Leben und Tod: Zoncy Heavenlys „Das goldene Land der Aschemenschen“ 

Mit dieser Ausgabe der Hausführungen wird ein beeindruckendes Werk der Künstlerin Zoncy Heavenly aus der aktuellen Ausstellung EXIL – Kunst ohne Grenzen vorgestellt. Die aus Südmyanmar stammende Künstlerin arbeitet an der Schnittstelle von Performance, Klangkunst, Installation, Fotografie und Poesie. Ihr interdisziplinäres Schaffen widmet sich Themen wie verkörperter Erinnerung, feministischer Selbstermächtigung und den Nachwirkungen politischer Gewalt.

In ihrem Werk entfaltet sich eine fünf Meter breite, in warme Farbtöne getauchte Landschaft in der Abenddämmerung, die zahlreiche schemenhafte Körper offenbart. Diese liegen wie achtlos zurückgelassene Stoffpuppen verstreut in einem weitläufigen Feld. Das gleichförmige Graubraun der Körper lässt individuelle Merkmale wie Gesicht oder Kleidung verschwinden und verleiht der Szene eine geheimnisvolle, fast geisterhafte Atmosphäre. Die aschige Farbwahl wirkt wie ein großer Schatten, der die Identitäten der Figuren verhüllt. Eine der Figuren wurde plastisch ausgearbeitet und führt in eine weitere Werkdimension. Eine Markierung auf der textilen Figur aktiviert zusätzlich eine haptische und akustische Ebene, deren Klang an traditionelle Bronze-Gongs buddhistischer Mönche erinnert, die das Ende eines Gebets einläuten.

Zoncy Heavenly verarbeitet in ihrem Mixed-Media-Werk „Das goldene Land der Aschemenschen“ die Ereignisse rund um den Militärputsch in Myanmar im Jahr 2021, der das Ende einer demokratischen Regierung und den gewaltsamen Tod zahlreicher Demonstrierender im Widerstand markierte. Doch das Werk thematisiert nicht nur das Ende, sondern auch den Neuanfang durch heranwachsendes Leben. Während am Himmel Kampfjets in Form von Modellbauflugzeugen bedrohlich schweben, erblüht im unteren Teil des Bildes zwischen den regungslosen Körpern die Lotusblume.

Die Lotusblume, die im schlammigen Wasser wächst, ohne Schaden zu nehmen, gilt im buddhistischen Glauben als Symbol für Reinheit und Erleuchtung. Mit diesen vielschichtigen Bedeutungsebenen schafft Zoncy Heavenly eine kraftvolle Brücke zwischen Leben und Tod, Trauer und Hoffnung. Ihr Werk lädt dazu ein, über Vergänglichkeit, Widerstand und die Kraft der Erneuerung nachzudenken und zeigt eindrucksvoll, wie Kunst gesellschaftliche und politische Ereignisse in emotionale und spirituelle Erfahrungen verwandeln kann.

Diese Hausführung bietet somit nicht nur einen tiefen Einblick in das Schaffen von Zoncy Heavenly, sondern auch in die Verbindung von Kunst, Erinnerungskultur und persönlicher Transformation. Besucherinnen und Besucher der Ausstellung EXIL – Kunst ohne Grenzen können in diesem Werk die eindrucksvolle Verflechtung von Klang, Materialität und Symbolik erleben, die Zoncy Heavenlys künstlerische Handschrift auszeichnet.

Ausstellungsansicht von Zoncy Heavenly im Haus. Kunst. Mitte., Ausstellung EXIL: KUNST OHNE GRENZEN, © Michael Lüder